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Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnen? Zum wirtschaftlichen Zusammenhang von Abfindung und Sperrzeit beim Arbeitslosengeld

  • Autorenbild: WELZ Arbeitsrecht Rechtsanwalt Berlin
    WELZ Arbeitsrecht Rechtsanwalt Berlin
  • 16. März
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 20. März

Wer als Arbeitnehmer signalisiert bekommt, dass sich die Arbeitgeberseite vom Arbeitsverhältnis lösen möchte, sieht sich plötzlich mit rechtlichen Fragen und mit wirtschaftlichen Folgen konfrontiert, die er in der Regel nicht selbst beantworten kann. Umgekehrt verfügen Arbeitgeber und Personalabteilungen - wenn es sich nicht ausnahmsweise um ein neu gegründetes Unternehmen handelt - über Vorerfahrungen im Umgang damit, sich von Arbeitnehmern (möglichst kostengünstig) zu lösen. Hier kommen sehr oft die Stichworte "Aufhebungsvertrag" und "Abwicklungsvertrag" ins Spiel.


Zum Hintergrund: Eine Kündigung ist der Versuch einer der Parteien, sich einseitig von einem bestehenden Arbeitsvertrag zu lösen. Weil es in Deutschland viele Regelungen gibt, die den Arbeitnehmern bei Kündigungen starke Rechte verleihen, versuchen Arbeitgeber normalerweise, dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag vorzulegen. Folge: Der Arbeitgeber weiß genau, welches Angebot er machen will und er kann frühzeitig ohne eigenes Risiko verhandeln.


Wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, weiß er hingegen nicht sicher, ob der Arbeitnehmer nicht innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben wird. Wenn der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhebt, steigt das wirtschaftliche (konkret: finanzielle) Risiko für Arbeitgeber erheblich. Vor allem ist damit auf Arbeitgeberseite anders als bei der außergerichtlichen Vorlage eines Aufhebungsvertrages psychologisch eine große Unsicherheit verbunden: Arbeitgeber wissen oft nicht, ob die Gründe, die sie für die Kündigung haben, vor Gericht standhalten werden. Die Einschätzung ist eine subjektive des Berufsrichters und der beiden Laienrichter am Arbeitsgericht, Arbeitsgerichte urteilen aus Sicht von Arbeitgebern aber oft "arbeitnehmerfreundlich", weil einer der ungeschriebenen Auslegungsgrundsätze des deutschen Arbeitstrechts ist, dass Arbeitsrecht "Arbeitnehmerschutzrecht" ist. Meint konkret: In Deutschland gibt es kein "hire and fire" mehr (das gab es noch im 19. Jahrhundert), der Arbeitgeber ist also nicht berechtigt, das Arbeitsverhältnis nach "Gutsherrenart" ablaufen zu lassen und zu beenden, wenn ihm gerade danach ist, und sich zu den Konditionen von einem Arbeitnehmer zu trennen, die ihm gerade vorschweben (i.d.R. etwas wie 1 - 2 Bruttomonatsgehälter Abfindung, Verschwiegenheitsklausel, Entschädigungslose Aufhebung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, Zeugnis mit der Note "gut" u.Ä.).


Wenn ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, verliert er normalerweise einen Großteil aller Rechte, die er im Kündigungsschutzverfahren hätte geltend machen können, wenn er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben hätte. Doch nicht nur das: Eine im Aufhebungsvertrag enthaltene (in der Regel verhältnismäßig kleine) Abfindung ist bei genauem Hinsehen eine finanzielle Mogelpackung.


Viel zu oft berücksichtigen Arbeitnehmer nicht, dass sich Aufhebungsverträge bei der Agentur für Arbeit in vielen Fällen leistungshindernd und leistungsmindernd auswirken: Wer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt verliert in der Regel nicht nur einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit (sogenannte "Sperrzeit", § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III:"Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, 1. wenn die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe)"). Vielmehr mindert sich auch der Anspruchszeitraum um mindestens ein Viertel (§ 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III: "Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindert sich um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die der oder dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht,").


Beispiel: Ein 48-Jährige Arbeitnehmer (m/w/d) unterschreibt einen Aufhebungsvertrag im Wesentlichen zu den Konditionen des oben beschriebenen Beispiels. Er war innerhalb der letzten 30 Monate vor dem Antrag auf Arbeitslosengeld 12 Monate als Arbeitnehmer beschäftigt. Normalerweise hätte er einen Anspruch auf 12 Monate Arbeitslosengeld gehabt (unter 50 Jahre alt und Arbeitsverhältnis, das zwei Jahre lang bestanden hat; vgl. hierzu § 147 SGB III). Durch die Unterschrift unter seinen Vertrag wird dieser Anspruch durch seine Unterschrift unter dem Aufhebungsvertrag faktisch auf 6 Monate herabgesetzt (vgl. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III und § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III).


Insofern stellt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, wenn man 2 Bruttomonatsgehälter Abfindung mit 6 Monaten Anspruch auf Arbeitslosengeld ins Verhältnis setzt. Dann sind Zweifel erlaubt, dass sich die Rechnung für den Arbeitnehmer wirklich lohnt. Ausnahme: Wenn der Arbeitnehmer bereits eine Anschlussbeschäftigung sicher in Aussicht hat (hier kann sich auch ein Aufhebungsvertrag, der ohne Anschlussbeschäftigung als wirtschaftlich bedenklich einszustufen wäre, aus Arbeitnehmersicht wirtschaftlich lohnen).


Für den Arbeitgeber macht eine solche Rechnung hingegen natürlich (fast immer) Sinn, weil er kostengünstig und rechtssicher eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielt hat, ohne die Kosten eines Rechtsanwalts oder Gerichtskosten bezahlen zu müssen. Ob und wie lange der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld erhält, sehen Arbeitgeber hingegen lediglich nicht als ihr eigenes Problem an ("was nach dem Arbeitsverhältnis ist, kümmert mich nicht, Hauptsache ich bin den Arbeitnehmer kostengünstig los").


Mein Tipp für Arbeitnehmer: Den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben. Anwaltlichen Rat einholen, das weitere Vorgehen absprechen und mit realistischen Zielen außergerichtlich oder gerichtlich zügig zum Erfolg kommen.

 
 
 

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