Landesarbeitsgericht Köln stärkt Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
- WELZ Arbeitsrecht Rechtsanwalt Berlin
- 15. März
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Aktualisiert: 20. März
In Deutschland entsprach es noch vor Kurzem der herrschenden Meinung (BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 8 AZR 402/14), dass man als Arbeitgeber schwerbehinderte Arbeitnehmer während der Probezeit genauso unproblematisch kündigen kann wie andere Arbeitnehmer. Dieser Grundsatz wurde mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Februar 2022 (Az. C‑485/20) erschüttert.
Das Gericht hat die Richtlinie 2000/78/EG (sog. "Gleichbehandlungsrichtlinie") so ausgelegt, dass Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung bei schwerbehinderten Personen auch während der Probezeit in einem gewissen Rahmen gehalten sind, Möglichkeiten zur Vermeidung derselben (z.B. durch Beschäftigung auf einer anderen Stelle) zu eruieren.
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 12.09.2024 – 6 SLa 76/24) ist - wie zuvor bereits die Arbeitsgerichte Köln (Urteil vom 20.12.2023 – 18 Ca 3954/23) und Freiburg (Urteil vom 4.06.2024 – 2 Ca 51/24) - der Auslegung des EuGH gefolgt und hat entgegen der BAG-Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 8 AZR 402/14) in einer Kündigung, die während der Probezeit ausgesprochen wurde ohne vorher nach anderen Möglichkeiten Ausschau zu halten, eine ungerechtfertigte Diskriminierung gesehen - Rechtsfolge: Unwirksamkeit der Kündigung.
Wer rechtzeitig handelt, kann sich im Arbeitsprozess zurücklehnen und braucht sich mit Blick auf die Anforderungen des § 22 AGG ("Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.") nicht zu verstecken. Das zahlt sich rechtlich und wirtschaftlich auch mit Blick auf das Thema "Abfindung" und "Schadensersatz wegen Diskriminierung" aus.
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